Stuttgarter Zeitung
/ von Adrienne Braun
Gemeinsame Nenner
Die Mitglieder des Kunstvereins stellen ihre Arbeiten aus
Kunst: ein Spiel. Ein leichtfüßiges Experiment mit den
ästhetischen Formen und Ausdrucksmitteln, eine vergnüglichen
Manipulation der Realität. Krieg? Gesellschaftskritik? Stellungnahmen
zu aktuellen Problemen? Nichts von alledem bei der Ausstellung der
Mitglieder des Württembergischen Kunstvereins im Kunstgebäude.
Einmal im jahr präsentieren die Künstler unter den Vereinsmitgliedern
ihre eigenen Arbeiten. Der ehemalige Leiter Martin Hentschel gab ihnen
ein Thema, ließ sich Vorschläge machen, unter denen er
schließlich eine Auswahl traf.
Der neue Leiter Andreas Jürgensen hält nichts von diesen
Themen, weil das "Verhältnis Kurator - Künstler nicht
schulmeisterlich sein soll", wie er sagt. Also ließ er
die Künstler das einreichen, was ihnen beliebte, und er war es,
der ein Thema aus den 300 Beiträgen herauskristallisieren wollte.
Ein Verfahren, das deutlicher als jede Ausstellung mit kuratorischem
Programm aufzeigt, wie es um die aktuelle Kunst steht. Nichts, rein
gar nichts scheint die Künstler im Moment zu beschäftigen.
Nichts, außer der Kunst selbst. "Spinball" nannte
Jürgensen entsprechend die Ausstellung, die als kleinsten gemeinsamen
Nenner den Hang zum Spielerischen hat, auch zum Leichten, was zum
Spiel gehört. Doch "spin", englisch drehen, hat auch
seine Schattenseite: Das irrsinnige Kreisen um sich selbst, das beschränkte
sich Versteifen auf die eigene Virtuosität.
So öffnet die Mitgliederschau nicht etwa den Blick auf Welt,
sondern schränkt ihn ein auf kleine, beschauliche Spielarten,
die man versucht, der Kunst abzuringen.Da gibt es die schon klassisch
gewordene Konzentration auf das Material wie bei Bernhard Walz, der
Acrylfarben satt aufspachtelt zu einem Wandrelief, appetitlich und
von haptischer Genüsslichkeit -eine reele, aufrichtige Arbeit,
die nicht mehr sein will, als sie ist.
Oder, das "Gestell 6"
von Ulrich Seibt, ein fragiler Aufbau von Wänden aus Brettern
und Metallteilen, die nur durch Bänder fixiert werden und doch
den Eindruck von Festigkeit vermitteln, nicht ohne die Frage nach
Stabilität und Provisorischem aufzuwerfen. Heinz Thielen komfrontiert
freie, gestische Malerei mit geometrischen Körpern, und freilich
kann man immer wieder darüber nachdenken, wie Konstruktion und
Expressivität sich zueinander verhalten. Steffen Schlichter hat
Mauerwerk kopiert und klebt diese Streifen auf die Wand. Ein trompe-l'oeil
wie auch bei Michaela Kern, die vier Hausfassaden abgemalt und die
Balkone mit verschiedenen Mustern und Dekorationen versehen hat -
ein fröhliches Spiel mit der Zwei- und Dreidimensionalität.
Die Beiträge sind souverän und der Beschäftigung wert,
doch der Erkenntniswert ist gering. Ein kurzer Aha-Effekt wie bei
Daniela Dietmann, die ihren schlafenden Körper als Wollteppich
geknüpft und auf den Boden gelegt hat - eine zunächst fremdartige
Erscheinung, die sich bei näherer Betrachtung zu erkennen gibt,
ohne ein letztes kleines Geheimnis zu bewahren. Oder die männlich-mächtigen
Büsten, die Wang Fu mit Landschaftsmotiven bemalt hat - nicht
mehr als eine Idee, die mit gutem Willen mit Bedeutung aufgeladen
werden kann, aber letztlich doch schnell seine Methode preisgibt.
Andrea Zug hat Früchte auf Schirme gemalt, die sich nun gleichmäßig
wie ein Ballett an der Wand drehen und an den Schnittstellen zu lustigen
Mutationen fügen. Doch wozu? Die meisten der Künstlerinnen
und Künstler sind in den Sechzigern geboren. Sie kennen die Ansprüche
an aktuelle Positionen sehr wohl, aber vielleicht ist ihre Zeit noch
nicht gekommen, Großes sagen zu können.
Eine Kunst, die fröhlich und unbeschwert mit der Welt umgeht,
wie Kinder es tun. Es kann Spaß mit ihnen machen, aber interessant
wird es wohl erst. wenn sie in die Jahre kommen.
Bis 10. Januar, geöffnet täglich außer montags 11
bis 18 Uhr, mittwochs 11 bis 20 Uhr.